Die Frage um die „nicht geringe Menge“ Cannabis seit Inkrafttreten des KCanG
Mit der Teillegalisierung von Cannabis und dem neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) am 01.04.2024 kam zunehmend die Frage auf, inwiefern der Wert der „nicht geringen Menge“ Cannabis angepasst werden sollte. Der BGH hatte nach dem neuen Gesetz angekündigt, dass der Wert der „nicht geringen Menge“ aufgrund der geänderten Risikobewertung neu zu ermitteln sei. Zudem hieß es, dass „Im Lichte der legalisierten Mengen nicht mehr an der bisherigen Definition festgehalten werden könne und der Grenzwert deutlich höher, als in der Vergangenheit liegen müsse“.
BGH (1. Strafsenat), Beschluss vom 18.04.2024
An diesem Vorhaben hat der BGH nicht festgehalten. Entgegen der Annahme vieler Ampel-Politiker und Betäubungsmittelrechtler hat der 1. Senat des BGH den Wert der „nicht geringen Menge“ in seinem Beschluss vom 18.04.2024 nicht neu definiert und hielt an der Rechtsprechung von 1984 fest.
Demnach bleibt es auch nach der Teillegalisierung unverändert bei einem Wert von 7,5 Gramm THC Wirkstoff. Die „nicht geringe Menge“ nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 sei weiterhin anzunehmen, sobald der Wirkstoffanteil bei mindestens 7,5 Gramm THC liegt. Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass sich trotz der Teillegalisierung die konkrete Wirkweise und Gefährlichkeit von THC nicht geändert habe.
AG Aschersleben, Urteil vom 24.09.2024 – 2 Ds 275 Js 34057/22 (69/24)
Auf diese Entscheidung hin gab es viele Gegenstimmen. So seitens des AG Aschersleben. In einem aktuellen Urteil vom 24.09.2024 stellte sich das Gericht offen gegen die Rechtsprechung des BGH und beschloss, die „nicht geringe“ Menge auf 37,5 Gramm zu erhöhen – 30 Gramm über dem von der Rechtsprechung des BGH bestimmten Wert. Für diese Entscheidung zog das AG Aschersleben das neue Konsumcannabisgesetz heran.
Es ist der Meinung, dass nach einer Teillegalisierung im April nicht an den alten Richtwerten festgehalten werden kann. Für die Ermittlung der Grenze von 37,5 Gramm bezog sich das AG Aschersleben auf die heute geltenden 50 Gramm und wendete die Maßstäbe von früher für die Berechnung an. So wurden 7,5 Gramm mit 5 multipliziert, wodurch das Gericht auf die Menge von 37,5 Gramm THC kam. Zusätzlich orientierte sich das AG Aschersleben an der Gesetzesbegründung, in der der BGH eine neue Risikobewertung ankündigte. Gerichte sind zwar nicht an Gesetzesbegründungen gebunden, aus der Gewaltenteilung und dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt sich jedoch eine Berücksichtigung. Der Beschluss widerspreche laut AG Aschersleben zudem der Gesetzessystematik. Zudem habe sich der gesellschaftliche sowie politische Umgang mit Cannabis seit 1984 so weit geändert, dass eine Reform notwendig sei. Auch stellte das AG Aschersleben auf den Umgang mit Alkohol ab. Es heißt, dass ein ähnlicher Ansatz bei Alkohol angesichts der bekannten Gefahren zu einem völligen Verbot führen könnte.
Das Urteil des AG Aschersleben ist noch nicht rechtskräftig. Seitens der Staatsanwaltschaft wurde Revision eingelegt.
Bedeutung für künftige Strafverfahren
Fraglich ist, wie Gerichte die „nicht geringen Menge“ zukünftig bestimmen. Nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG beträgt die Strafe für den Besitz einer „nicht geringen Menge“ 3 Monate bis zu 5 Jahre. Es ist davon auszugehen, dass die Berechnungen des AG Aschersleben (37,5 Gramm) die Ausnahme bleiben und nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH weiterhin von einer 7,5-Gramm-Grenze auszugehen ist. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel.