Das Jugendstrafrecht kennt eine "Freiheitsstrafe" nur als "Jugendstrafe". Sie darf nicht in "normalen" Gefängnissen, sondern in eigenen Anstalten mit eigenen Regeln vollzogen werden. Abgesehen von der Sicherungsverwahrung ist die Jugendstrafe die schwerste Sanktion, die das Jugendstrafrecht kennt. Schließlich bedeutet Jugendstrafe ein Leben in Unfreiheit mit permanenter Einsperrung und Fremdbestimmung. Hinzu kommen schlechte Sozialkontakte, Gewalterfahrungen und die Störung eines normalen jugendlichen Entwicklungsprozesses. Strafverteidigung von jugendlichen Mandanten bedeutet daher immer eine Verteidigung gegen die Jugendstrafe.
Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) sieht in § 17 Abs. 2 eine Jugendstrafe vor, „wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist“. Ein Gericht muss also zunächst ein Erziehungsdefizit zum Zeitpunkt des Urteils feststellen.
Soweit es um die "Schwere der Schuld" geht, von der § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG spricht, sind die Voraussetzungen seit langem umstritten. Klar ist nur, dass diese jugendspezifisch zu bestimmen ist. Bisher forderte der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung, dass eine Jugendstrafe nur verhängt werden darf, wenn diese aus "erzieherischen Gründen" auch erforderlich ist. Der BGH machte in der Vergangenheit - aus unserer Sicht sehr bedenklich - vom Erziehungsgedanken immer wieder Ausnahmen und führte bei schweren Delikten einen "gerechten Schuldausgleich" zur Begründung der Jugendstrafe an - ein Gedanke, der dem Jugendstrafrecht, das auf dem Erziehungsgedanken fußt, eigentlichen fremd ist.
Das Landgericht Hamburg verweigerte die Verhängung einer Jugendstrafe, da eine Erziehungsbedürftigkeit des jugendlichen Angeklagten zumindest zum Urteilszeitpunkt nicht bestanden habe. Dagegen wendete sich die Staatsanwaltschaft mit einer Revision. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigte in der Folge eine Änderung der Rechtssprechung, sodass eine Jugendstrafe auch ohne das Erfordernis einer erzieherischen Notwendigkeit verhängt werden könnte (Anfragebeschluss des 5. Strafsenats des BGH vom 13.9.2023 – 5 StR 205/23). Die Antwort der übrigen Strafsenate steht derzeit noch aus.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die sich die beabsichtigte Änderung in der Rechtsprechung nicht durchsetzt. Ohne das Kriterium der "erzieherischen Notwendigkeit" könnte ein Jugendstrafe auch zu Zwecken der Vergeltung eingesetzt werden. Wir lehnen diesen Strafzweck schon im Erwachsenenstrafrecht ab, im Jugendstrafrecht hat er aber erst Recht nichts zu suchen. Es ist schwer abzustreiten, dass eine Jugendstrafe häufig mehr desintegrativ, als fördernd und unterstützend wird. Sie muss ultima ratio im Jugendstrafrecht bleiben. Zur Abschreckung der Allgemeinheit oder Vergeltung sollte sie niemals eingesetzt werden.
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