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Bundesverfassungsgericht zum Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen
Die Untersuchungshaft ist eine vorläufige Inhaftierung vor Verurteilung und darf nur unter engen Voraussetzungen angeordnet werden. Sie dient der ordnungsgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens bis zur abschließenden Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden. Dem Beschleunigungsgrundsatz kommt in Haftsachen entscheidende Bedeutung zu. Mit Verfahrensverzögerungen und dem Beschleunigungsgrundsatz hat sich jüngst wieder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rahmen einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde auseinandergesetzt (Beschluss vom 05.02.2025, Az. 2 BvR 24/25 u. 2 BvR 69/25).
I. Voraussetzungen der Untersuchungshaft
Für die Anordnung der U-Haft muss zunächst ein dringender Tatverdacht bestehen, welcher nach dem Anfangsverdacht und dem hinreichenden Tatverdacht die größte Verdachtsstufe darstellt. Darüber hinaus muss ein Haftgrund vorliegen: Es muss Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr oder Wiederholungsgefahr bestehen. Schließlich muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden, d.h. die Haft darf nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat stehen (§ 112 StPO).
Die Untersuchungshaft ist in der Dauer beschränkt. Der Gesetzgeber sieht grundsätzlich eine Höchstgrenze von sechs Monaten vor. Innerhalb dieser Zeit muss das Strafverfahren so weit fortgeschritten sein, dass Anklage erhoben und ein Verhandlungstermin angesetzt wird. Dieser sog. Beschleunigungsgrundsatz ergibt auch aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), wonach die Organe der Rechtspflege gehalten sind, Strafverfahren so schnell wie möglich durchzuführen. Ausnahmen kann es allerdings gemäß § 121 StPO geben, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen.
II. Die Verfassungsbeschwerde
In einem aktuellen Fall wurde eine Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Dauer einer Untersuchungshaft eingereicht. Zwei Männer und ein weiterer Angeklagter befanden sich wegen des dringenden Tatverdachts, insbesondere des versuchten Mordes in zehn tateinheitlichen Fällen mit Brandstiftung, seit dem 01. Juli 2023 beziehungsweise seit dem 14. Juli 2023 in Untersuchungshaft.
Die Verteidigung der Angeklagten rügte in den Verfassungsbeschwerden einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz, da das Gericht nur in einer geringen Termindichte verhandelte. Es wurden lediglich drei Hauptverhandlungstermine im Zeitraum vom 03. Mai bis 24. Juni 2024 angesetzt und zusätzlich bis Dezember 2024 weitere 15 Termine. Im späteren Verlauf wurden noch sechs weitere Fortsetzungstermine bis zum 14. Februar 2025 angesetzt. Zudem sei an diesen Tagen auch zu kurz verhandelt worden, denn nur einmal habe die Verhandlung länger als fünf Stunden gedauert.
Das Oberlandesgericht Dresden hatte die Haftbeschwerden der Verteidigung als unbegründet verworfen.
III. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg, denn es gab keine Begründung oder besondere Umstände für eine Fortdauer der Untersuchungshaft – so das Bundesverfassungsgericht. Der Beschluss des Oberlandesgerichts zeigte „keine besonderen Umstände auf, die die Fortdauer der Untersuchungshaft im Streitfall verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen lassen könnten.“
Die Beschwerdeführer seien in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG verletzt worden. Nach § 121 Abs. 1 StPO dürfe die U-Haft nur länger als sechs Monate andauern, wenn wichtige Gründe die Fortdauer der Haft begründen. „Vage Hinweise“ reichen laut Bundesverfassungsgericht nicht aus. Verhandlungsdichte und -intensität würden an die Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes zu stellenden Anforderungen nicht entsprechen. Im Durchschnitt wurde nur an 0,66 Tagen pro Woche verhandelt, was unter dem verfassungsrechtlich geforderten Mindestmaß von einem Tag pro Woche liegt.
IV. Fazit zum Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Beschleunigungsgrundsatz ein zentrales Element in unserer Rechtsordnung ist und besonders geachtet werden muss. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt, d.h. jede Person als unschuldig gilt, bis ihre Schuld rechtskräftig nachgewiesen wurde. Zugleich stellt die Untersuchungshaft einen schweren Eingriff in die Grundrechte einer beschuldigten Person ein. Umso wichtiger ist es, dass Haftsachen beschleunigt behandelt werden und sich Gerichte gründlich mit dem Beschleunigungsgrundsatz auseinandersetzen.