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Rapper vor Gericht: AG Frankfurt a.M. zu Beleidigungen in Rap-Songs
Straflose Provokation oder strafbare Beleidigung?
In der Musik und vor allem im Rap werden häufig politische Botschaften vermittelt, provokante Formulierungen gewählt oder auch persönliche Bezüge hergestellt. Dabei verschwimmen nicht selten die Grenzen zwischen Kunstfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG), satirischer Meinungsäußerung und der strafrechtlich relevanten Beleidigung nach § 185 StGB.
So auch in einem aktuellen Fall, in dem das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen einen Musiker eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 Euro verhängte (Urt. v. 09.08.2024 – 916 Ds 6443 Js). Daneben entschied das Gericht auch die Einziehung der Streamingeinnahmen und Spenden (gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB), die durch das Video erzielt wurden. Der Musikclip wurde insgesamt auf unterschiedlichen Plattformen über 500.000 Mal gestreamt. Im Zentrum dieser Entscheidung stand die Frage, ob die Aussagen des Musikers in dem Video durch die Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt sind.
I. Das Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und der strafbaren Beleidigung
Die Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Prinzip der demokratischen Ordnung und wird durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Sie garantiert jedem das Recht seine Meinung auch in künstlerischer Form zu äußern und zu verbreiten. Allerdings ist dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet und findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Darunter auch die Beleidigung gemäß § 185 StGB. Nach dieser Vorschrift macht sich grundsätzlich strafbar, wer die Ehre eines anderen dadurch angreift, seine Miss- oder Nichtachtung kundzutun. Die Ehre ist ein personelles Rechtsgut und der Ehrbegriff ist Ausdruck der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG.
II. Genauer zum RaPPer-Fall: Was ist passiert?
Ein Rapper soll auf verschiedenen Kanälen Songs mit meist politischem Inhalt gegen die Politiker der Bundesregierung veröffentlicht haben. Am 17. Dezember habe der Angeklagte ein als „offizieller Werbespot der AFD“ tituliertes Video auf diversen Plattformen geteilt. Das Video sei zum Teil zensiert gewesen, aber in beiden Versionen der Inhalt verständlich.
In diesem Video werden wechselnd Politiker eingeblendet, die nach Ansicht des Angeklagten das Land zerstören würden. Es werden unter anderem die Parteien SPD, FDP und Grüne als „Hurensöhne“, „Missgeburten“ und „Verbrecher“ betitelt. Auch Bilder der Politiker seien zu sehen gewesen. Hinsichtlich der Bundesministerin L habe er gesagt: „Die Fotze lügt im Lebenslauf“. Zu einem Bild des Bundesministers K soll der Angeklagte gesungen haben: „Dieser Stricher, alter ist das bitter – kann nicht richtig reden, aber hält sich für Minister“.
In der Folge haben K und L Strafanträge jeweils wegen Beleidigung gestellt. Ziel des Angeklagten sei es gewesen, eine hohe Aufmerksamkeit zu generieren und die genannten Politiker in ihrem Ehr- und Achtungsanspruch zu verletzen. Der Musiker räumte ein, Verfasser des Videos zu sein – argumentiert aber, dass er die Personen nicht beleidigen wolle und beruft sich auf eine satirische Darstellung, die von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt sei.
III. Warum sich der Rapper laut AG Frankfurt a.M. der Beleidigung schuldig gemacht hat
Das Amtsgericht Frankfurt am Main begründet seine Entscheidung damit, dass die Begriffe „Stricher“ und „Fotze“ keine überspitzten politischen Aussagen seien, sondern gezielte Herabwürdigungen mit beleidigender Wirkung. Die Bezeichnung „Stricher“ unterstelle dem Politiker, dass dieser auf den Strich gehe und sexuelle Handlungen gegen Entgelt ausübe. Im Gesamtkontext betrachtet sei diese Bezeichnung also als ein negatives Werturteil zu begreifen.
Zwar müssen sich gerade Politiker einer Kritik aussetzen, jedoch bestünden auch für Personen des öffentlichen Lebens Grenzen – insbesondere dann, wenn Äußerungen nicht auf den sachlichen Diskurs abzielen. Die betroffenen Personen K und L seien als individuelle Träger des Persönlichkeitsrechts somit unmittelbar von dem Video betroffen gewesen.
In der Urteilsbegründung nahm das Gericht eine Güterabwägung vor. Auf der einen Seite das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und auf der anderen Seite die Meinungsfreiheit.
Bei der Güterabwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Ehrträger sei zu beachten, dass die Meinungsfreiheit, umso höher gewichtet wird, je mehr die Äußerung darauf abziele einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Gleichwohl betont das Gericht, dass Bürgerinnen und Bürger Amtsträgerinnen für ihre Weise der Machtausübung kritisieren dürften – ohne dass einschneidende gerichtliche Sanktionen drohen. Die Freiheit finde jedoch dort ihre Grenze, wo Kritik in persönliche Beleidigungen umschlage und sich kein Bezug mehr zu einer sachlichen, politischen Auseinandersetzung erkennen lasse. Auch irrelevant für den Tatbestand sei, dass die Politiker das Video vielleicht gar nicht gesehen haben.
IV. Fazit
Die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main zeigt – die Abgrenzung von strafloser Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit und strafbarer Beleidigung ist komplex und erfordert eine sorgfältige Abwägung – gerade, weil die Meinungsfreiheit ein unverzichtbares Fundament unserer demokratischen Grundordnung bildet.