Tierschutz und Strafrecht: Jäger erhält Bewährungsstrafe für getöteten Hund

Der Schutz von Tieren genießt in unserer Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert. Doch wie weit darf oder muss das Strafrecht gehen, um diesen Schutz zu gewährleisten? Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Bamberg hat eine hitzige Debatte ausgelöst: Ein Jäger wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er einen Hund erschossen hatte – ohne jagdrechtliche Rechtfertigung.

Für Tierschützer ist das Urteil ein längst überfälliges Signal, dass Tierquälerei konsequent geahndet wird. Kritiker hingegen warnen vor einer überzogenen Kriminalisierung und stellen die Verhältnismäßigkeit der Strafe infrage. Wo also liegt die Grenze zwischen berechtigtem Tierschutz und unverhältnismäßiger Strafverfolgung?

 

I. Sachverhalt: Was war passiert?

Ein österreichischer Hundebesitzer hatte im Juli 2022 nach einer Kanutour auf dem Main sein Kanu am Ufer befestigt, dabei lief der Hund der Rasse „Alaskan Malamute“ nicht angeleint auf einer Wiese herum. Der angeklagte Jäger soll den Hund entdeckt und aus seinem Auto heraus grundlos geschossen haben. Hinweise darauf, dass das wegen eines Hüftleidens mit Arthrose eingeschränkte Tier gewildert hatte, wie der Angeklagte behauptete, hatte das Amtsgericht nicht gesehen.

In erster Instanz wurde der Jäger lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Berufung ein, woraufhin das Landgericht Bamberg eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verhängte. Die Begründung: Die Tötung sei eine „quälerische Misshandlung eines Wirbeltieres“ gemäß § 17 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) gewesen. Das Urteil ist nun rechtskräftig, da der Angeklagte seine Revision zurückgenommen hat.

Nun wird das Urteil kontrovers diskutiert: Tierschutzorganisationen sehen darin ein wichtiges Signal für den konsequenten Schutz von Tieren, da es zeigt, dass ungerechtfertigte Tiertötungen strafrechtliche Folgen haben. Kritiker aus der Rechtswissenschaft hingegen hinterfragen die Einordnung als
„quälerische Misshandlung“ und die Verhängung einer Freiheitsstrafe, da § 17 TierSchG üblicherweise das Zufügen erheblicher Schmerzen oder Leiden voraussetzt. Die Entscheidung wirft grundsätzliche Fragen zur strafrechtlichen Bewertung von Tiertötungen und zur Verhältnismäßigkeit der Strafe auf.

 

II. Strafbarkeit nach § 17 TierSchG: Lag wirklich eine Tierquälerei vor?

Der zentrale Straftatbestand in diesem Fall ist § 17 Nr. 1 TierSchG. Danach wird bestraft, wer einem Wirbeltier ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt oder es tötet.

 

1. Lag ein „vernünftiger Grund“ vor?

Ein vernünftiger Grund zur Tötung eines Tieres ist nach Rechtsprechung und juristischer Literatur gegeben, wenn übergeordnete Interessen dies rechtfertigen – etwa der Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Tiergesundheit oder die Einhaltung jagdrechtlicher Vorschriften. Das Gericht sah jedoch keinen solchen Grund.

Nach bayerischem Jagdrecht dürfen Hunde nur dann abgeschossen werden, wenn sie sich wildernd verhalten, d.h. wenn sie Wildtiere hetzen oder verletzen. Ein solcher Umstand lag hier nicht vor. Auch das Argument des Jägers, er habe den Hund als Bedrohung wahrgenommen, wurde nicht als nachvollziehbar eingestuft.

 

2. Wurde das Tier „gequält“?

Eine strafrechtlich relevante Tierquälerei setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass dem Tier erhebliche Leiden oder Schmerzen zugefügt werden. Wenn der Hund durch einen gezielten Schuss sofort getötet wurde, könnte argumentiert werden, dass keine „Leiden“ im Sinne des Gesetzes entstanden sind.

Das Gericht bewertete die Tat jedoch als „quälerische Misshandlung“, weil sie völlig grundlos geschah. Hier stellt sich die Frage, ob diese rechtliche Einordnung wirklich gerechtfertigt ist oder ob die bloße grundlose Tötung eines Tieres aus strafrechtlicher Sicht für eine Freiheitsstrafe ausreicht.

 

III. Die Rolle des Jagdrechts und des subjektiven Tatbestandsirrtums

Strafverteidiger sehen in diesem Fall vor allem zwei problematische Aspekte:

 

1. Subjektive Wahrnehmung des Jägers

Der Jäger könnte – wenn auch irrtümlich – geglaubt haben, dass der Hund Wildtiere gefährden könnte. Ein solcher Irrtum könnte als Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) oder als Verbotsirrtum (§ 17 StGB) gewertet werden, was die Strafbarkeit zumindest mildern könnte.

 

2. Übermäßige Kriminalisierung einer Jagdhandlung?

Während es unbestritten ist, dass die Tötung des Hundes rechtswidrig war, bleibt die Frage, ob sie eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Das Strafrecht sollte das „ultima ratio“ sein und nur bei schwerwiegenden Verstößen angewendet werden.

 

IV. Verhältnismäßigkeit des Strafmaßes: Eine Freiheitsstrafe für die Tötung eines Hundes?

Ein besonders umstrittener Punkt ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe von acht Monaten. In der Praxis werden regelmäßig Fälle von Tierquälerei (z.B. Misshandlung oder Aussetzen von Tieren) mit Geldstrafen geahndet. Eine Freiheitsstrafe auf Bewährung wird oft bei Straftaten gegen Menschen verhängt – etwa für gefährliche Körperverletzung. Das Urteil könnte daher als unverhältnismäßig betrachtet werden, da es den Schutz eines Hundes mit dem Schutz eines Menschen gleichsetzt.

 

V. Die Perspektive der Tierschützer: Ein notwendiges Signal?

Tierschutzorganisationen sehen das Urteil als längst überfälliges Zeichen gegen Tierquälerei. Sie argumentieren, dass Tiere in Deutschland oft nicht ausreichend rechtlich geschützt sind und dass Tierquälerei bislang zu milde bestraft wurde.
Dieses Urteil könnte einen Präzedenzfall schaffen und dazu beitragen, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz konsequenter verfolgt werden. Insbesondere in einer Gesellschaft, die Tieren zunehmend Rechte zuspricht, könnte sich das Strafrecht künftig verschärfen.

 

VI. Fazit: Überreaktion oder richtungsweisendes Urteil?

Das Urteil des LG Bamberg ist zweifellos ein deutliches Signal für den Tierschutz. Dennoch bleiben aus strafrechtlicher Perspektive Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Strafe bestehen. Einerseits stärkt das Urteil den Tierschutz, indem es klarmacht, dass die grundlose Tötung eines Tieres strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Andererseits ist fraglich, ob eine Freiheitsstrafe von acht Monaten für eine Tiertötung – im Vergleich zu anderen Delikten – verhältnismäßig ist.
Letztlich bleibt abzuwarten, ob das Urteil künftig als Maßstab für ähnliche Fälle dient oder ob es als Einzelfallentscheidung betrachtet wird. Unabhängig von moralischen Erwägungen, muss sich das Strafrecht stets an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit orientieren – insbesondere bei emotional aufgeladenen Themen wie dem Tierschutz.

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