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BGH: K.O.-Tropfen KEIN gefährliches Werkzeug
Mit der zunehmenden Verwendung von K.O.-Tropfen in Straftaten hat sich auch die Frage um ihre strafrechtliche Einordnung intensiviert. K.O.-Tropfen werden häufig im Rahmen von Straftaten eingesetzt, um Opfer zu betäuben und damit wehrlos zu machen.
Nun hat sich der 5. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) diesbezüglich geäußert: Laut Beschluss vom 08.10.2024 sind K.O.-Tropfen demnach kein gefährliches Werkzeug im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB).
Urteil LG Dresden
Grundlage dieser Entscheidung war ein Fall, bei dem ein Mann zwei Frauen in seine Wohnung einlud und unter K.O.-Tropfen setze, um mit ihnen sexuelle Handlungen zu vollziehen. Eine der Frauen wurde anschließend bewusstlos im Garten aufgefunden. Der Mann verabreichte den Frauen die K.O.-Tropfen (konkret Gamma-Butyrolacton) mittels einer Pipette. Verurteilt wurde er vom LG Dresden wegen schweren sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB in Verbindung mit der Qualifikation nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB (gefährliches Werkzeug) zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 5 Monaten. Das LG Dresden sah in den K.O.-Tropfen vorliegend ein gefährliches Werkzeug und verurteilte den Angeklagten dahingehend.
Reaktion BGH: Beschl. v. 08.10.24, Az. 5 StR 382/24)
Der 5. Senat des BGH reagierte daraufhin und sah in der Gabe der Tropfen ebenfalls eine Gewaltanwendung gem. § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB. Allerdings sei der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ in § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB restriktiv auszulegen. Zudem wird argumentiert, dass die Auslegung die Wortlautgrenze sprengt.
Unter den Begriff „gefährliches Werkzeug“ fallen – so der BGH – nur feste für bestimmte Zwecke geformte Gegenstände, die direkt Verletzungen hervorrufen können, nicht aber Flüssigkeiten oder Gase. Auch die verwendete Pipette sei kein gefährliches Werkzeug. Im Rahmen von § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB, an den § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB sich anlehne, ist ein Gegenstand dann ein gefährliches Werkzeug, wenn er nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung im Einzelfall geeignet ist, unmittelbar erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Vorliegend fehle es an der Unmittelbarkeit der Verletzung durch die Pipette und sie selber habe keine Verletzungen hervorgerufen. Zudem hat der BGH in einem vorherigen Urteil wegen schweren Raubes gem. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB bereits entschieden, dass ein Mittel, das erst nach einem Stoffwechselprozess im Körper sedierend oder narkotisierend wirkt, kein (gefährliches) Werkzeug ist. Eine Abweichung widerspreche laut BGH der Gesetzsystematik und dürfe nicht abweichend interpretiert werden.
Strafrechtliche Einordnung
Diese Entscheidung hat Auswirkungen auf das Strafmaß, da der Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs ein qualifizierender Tatbestand ist. Wenn bei der in § 177 StGB geregelten Strafbarkeit von sexuellen Übergriffen ein „gefährliches Werkzeug“ verwendet wird, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren vor. Fällt diese Qualifikation weg, liegt das Strafmaß gem. § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB („wenn der Täter gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet“) bei mindestens einem Jahr.
Der BGH verschiebt die Einordnung jedoch auf eine andere Vorschrift. So sei die Strafvorschrift des § 177 Abs. 8 Nr. 2b StGB („Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr für das Opfer“) nicht ausgeschlossen, weil aufgrund starker Bewusstseinsstörungen die Möglichkeit eines Erstickens durch das Rutschen der Zunge in den Rachen oder infolge Erbrechens bestehe. Dort liegt das Mindeststrafmaß bei 5 Jahren.